Bildungsträger - Ausschreibung des Jobcenters Heidelberg: Teilnehmerbeschreibung mit spannenden Begriffen zur Gesundheit

 

Spannender Gesundheitsbegriff - Ausschreibung des Jobcenters Heidelberg

Bildungsträger aufgepasst, unbedingt in Gesundheits-Klischees denken!

Wieder sitze ich an einem neuen Konzept für meinen Lieblings-Bildungsträger. Und wieder beeindruckt mich eine Leistungsbeschreibung: In der Leistungsbeschreibung der “Maßnahme Mobiles Coaching Heidelberg” (Vergabenummer 401-20-45ind-00421) findet sich dieses Highlight:


Es liegen in der Regel folgende destabilisierende Faktoren bzw. Vermittlungshemmnisse vor, wie z.B.:

• eine verfestigte inadäquate Tagesstruktur,

• mangelnde Leistungsfähigkeit,

• fehlende oder nicht (mehr) marktgerechte berufliche Qualifikation,

• unzureichende praktische Berufsfertigkeiten,

gesundheitliche und /oder psychische Einschränkungen,

• Abhängigkeitserkrankungen,

• mangelnde Arbeitsbereitschaft,

• unangemessene Erwartungen an erreichbares Einkommen,

• unzuträgliche Selbstdarstellung oder Bewerbungsstrategien,

• unzureichende berufliche / räumliche Mobilität.

 
 

Gesundheitliche und psychische Einschränkung

Ok, also wird hier ganz klar unterschieden in gesundheitliche und psychische Einschränkungen. Ich nehme mal an, die gesundheitlichen Einschränkungen sind dann die physischen, also die körperlichen, ja, liebes JobCenter Heidelberg? Das klingt dann irgendwie so, als würde die Psyche nicht dazu gehören. Oder zumindest als würden die psychischen Einschränkungen nicht die Gesundheit beeinträchtigen. Das irritiert mich.

 

psychische Störungen vs. körperliche Erkrankungen

Im nächsten Absatz findet der geneigte Bildungsträger dann diesen Passus:


In den meisten Fällen treten die Hemmnisse additiv auf. Diese Personen haben meist alternative Lebensent-würfe entwickelt, in denen einer Erwerbsarbeit kein hoher Stellenwert beigemessen wird. Insbesondere be-dürfen die häufig bei dieser Zielgruppe auftretenden sozialen Ängste, Suchtproblematiken, psychischen Stö-rungen, körperliche Erkrankungen und Verschuldungen zunächst professioneller Unterstützung, bevor eine berufliche Integration in Betracht gezogen werden kann.

 

Ok, also damit wir das auch klar kriegen: Psychische Störungen werden also von körperlichen Erkrankungen abgegrenzt. Was Psyche und Körper angeht, ok. Aber können Sie, liebes JobCenter Heidelberg, mir mal erklären, weshalb Sie einerseits den Begriff “Störungen” und andererseits das Wort “Erkrankungen” verwenden?!

Und wieso dies in genau dieser Konstellation geschieht:

Psyche + Störung und Körper + Erkrankung

Es gäbe ja auch die Variante

Psyche + Erkrankung und Körper + Störung

 

Sprache schafft Bilder

Ja, Sprache macht etwas mit Menschen! Wer “Psyche” immer mit “Störung” verbindet, sorgt dafür, dass genau dies in den Gehirnen verknüpft wird. Dabei ist längst klar, dass auch psychische Erkrankungen Krankheiten sind und nicht jede Störung einen Krankheitswert hat. So, wie sich nicht jeder Hypertoniker oder Diabetiker 24/7 krank fühlt, ist eben auch nicht jede psychische Abweichung (um mal eine Alternative zu verwenden) von schädigendem oder beeinträchtigendem Wert.

Ohne also im Detail auf die wissenschaftliche Differenzierung von Krankheiten und Störungen einzugehen - der Laien-Begriff “Störung” bewirkt einfach ein anderes Bild, als das vom selben Laien benutzte “Erkrankung”.

Oder sehe ich das zu kritisch?